Mein Bundespräsident ist das nicht

Der Hype um Joachim Gauck wollte sich mir nie wirklich erschließen. Gründe gibt es viele. Schon vor seiner Wahl erschien mir der Freiheitsonkel nie wirklich echt. Zu aufgesetzt, zu sehr von sich selbst überzeugt, viel zu konservativ. Ich weiß, das öffentliche Bild ist ein anderes, aber das öffentliche Bild ist auch leider oft ziemlicher Mist.

Neustes Beispiel dafür, dass wir mal wieder eine Fehlbesetzung auf dem Chefposten haben, ist Gaucks Vorwurf, bei Edward Snowden handele es sich um einen Verräter. Ein Mann, der die DDR miterlebt hat und jahrelang als Deutschlands oberster Stasiaufklärer gearbeitet hat, sollte wohl etwas mehr von der Gefahr der Totalüberwachung verstehen.

Was treibt jemanden dazu, nicht die Totalüberwachung ganzer Kontinente und der Generalverdacht gegenüber ganzer Völker damit abzutun, den Botschafter dieser krassesten aller Missstände als Verräter abzutun? Noch nie in der Geschichte der gesamten Menschheit wurde die Bevölkerung von seinen Eliten und Mächtigen so streng überwacht wie heute.

Stadtessen erwartet Gauck, Staatsdiener sollten in erster Linie loyal gegenüber ihrem Arbeitgeber dem Staat sein. Nur ist das nicht zu Ende gedacht. Staatsangestellte sind nicht allesamt Soldaten, die einfach nur gehorchen sollen oder müssen. Und selbst bei diesen gibt es Grenzen. Nicht jedes unrecht muss man mitmachen, nur weil der eigene Gehaltscheck davon abhängig ist.

Und was bitte ist der Staat, wenn nicht der Angestellte seiner eigenen Bevölkerung. Diese finanziert ihn und gibt ihm über den Umweg der gewählten Vertreter seine Aufgaben (was zugegebenermaßen derzeit oft nicht gut klappt). Wenn nun der Staat seine Bürger betrügt, seine Befugnisse überschreitet und Menschenrechte verletzt, ist es da nicht Pflicht die Missstände offen zu machen?

Es ist nicht das erste mal, das Gauck so krass daneben liegt. Schaut man einmal herüber zur Umweltpolitik, bezeichnete er letztes Jahr das deutsche EEG, mit dem die Vergütung für Wind- und Solarstrom geregelt wird, als Planwirtschaft. Ganz im Sinne der großen Atomkonzerne leierte er damals das Lied von der freien Marktwirtschaft. Nicht ahnend, vielleicht auch einfach nicht wissend, das eine Einspeisevergütung in etwa so viel mit Planwirtschaft zu tun hat, wie die DDR mit freier Meinungsäußerung.

Das der Energiesektor nicht ganz so frei wirtschaftet wie andere Branchen, mag ihm missfallen. Aber es handelt sich um einen Infrastrukturbereich, ähnlich dem Verkehr, der Wasserversorgung oder Telekommunikation. Es geht um die sichere Grundversorgung mit den wichtigen, nicht verzichtbaren Versorgungsgütern die wir neben Lebensmitteln haben. Diese Sektoren sind selbst in den neoliberalsten Staaten dieser Welt stark reglementiert – und das aus gutem Grund.

Gauck ist mit dem Versprechen angetreten, die Menschen wieder stärker mit der Politik zu versöhnen. Bei mir hat er das genaue Gegenteil erreicht.